Die Bauwirtschaft braucht Gips. Doch diesen zu gewinnen, wird immer schwieriger. Bedingt durch den Kohleausstieg fällt bald der REA-Gips aus den Kraftwerken weg. Neue Abbauquellen zu erschließen, birgt Konflikte mit dem Naturschutz. Eine Lösung wäre der Einsatz von mehr Recyclinggips. Doch Gipsabfälle landen immer noch in Massen auf den Deponien.
Gips steckt in Gipskartonplatten, er ist Bestandteil von Zement, wird für Stuckdecken gebraucht und an vielen anderen Stellen auf dem Bau. Gipsprodukte sind vergleichsweise leicht und gelten als klimafreundlich, weil von ihnen weniger Masse und damit weniger Ressourcen gebraucht werden. Die Nachfrage nach Baustoffen aus oder mit Gips steigt und könnte aus Sicht der Bauwirtschaft noch viel höher liegen, wenn genug Gips verfügbar wäre.
Doch die Verfügbarkeit steht auf der Kippe und so haben sich Mitte des Jahres mehrere Verbände des Trocken-, Aus- und Leichtbaus zusammengetan, um einen Appell an die Öffentlichkeit zu richten. Im Fokus steht dabei der Kohleausstieg, denn mit der Kohleverstromung verschwindet auch der sogenannte REA-Gips. Das ist Gips aus den Rauchgasreinigungsanlagen der Kraftwerke. Dieser entsteht bei der Entschwefelung der Rauchgase von Kraftwerken und wird hier gezielt als direkt verwertbarer Rohstoff gewonnen. Bisher deckte er nach Angaben des Bundesverbands der Gipsindustrie etwa die Hälfte des Gipsbedarfs in Deutschland ab. Dieser Anteil geht mit dem Kohleausstieg schrittweise zurück – der Bedarf dagegen steigt.
Als Lösung aus diesem Dilemma nennt die Bauwirtschaft in ihrer Mitteilung zwei Wege, die beide allerdings keine einfachen sind: Zum einen das Steigern der Recyclingquote und zweitens die Nutzung ortsnaher, regionaler Naturgipsvorkommen. Das Letztgenannte stößt jedoch schnell an Grenzen. Zwar gibt es in Deutschland in Gebieten, die sich von Baden-Württemberg über Nordbayern bis in den Harz ziehen, rund 70 Gips-Förderstätten. Diese fördern etwa vier Millionen Tonnen Gips jedes Jahr und damit decken sie etwa 40 Prozent des Bedarfs. Doch eine Ausweitung der Förderung stößt auf Kritik des Naturschutzes. Denn der Gipsabbau hinterlässt Spuren.
So spricht etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Niedersachsen von der "Bedrohung Gipsabbau" und weist darauf hin, dass der Gipsabbau zu einem rasch fortschreitenden enormen Landschaftsverbrauch führt. Auch wenn nach einer Phase des Abbaus genau an diesen Stellen oft eine Renaturierung erfolgt und die Rohstoffindustrie verpflichtet ist, Biotope für gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu schaffen, entstehen laut BUND auf diese Weise lediglich sekundäre Lebensräume. "Einen Ersatz für die unversehrte, in Jahrzehntausenden gewachsene Karstlandschaft sind sie nicht", so die Naturschützer.
Zwar appellieren die Bauverbände gleichzeitig an die Politik, den Naturschutz und die Gesellschaft, konstruktiv am Dialog und den Lösungen zur Deckung des Gipsbedarfes mitzuwirken – auch für ausreichend bezahlbares, nachhaltiges Bauen. Ihr Ziel ist die Erschließung neuer Gipsförderstätten. Doch sie nennen mit dem Vorschlag der Steigerung des Gips-Recyclings auch eine Möglichkeit, die alternativ umzusetzen ist.
Und hier meldet sich nun die Gipsindustrie zu Wort bzw. mahnt der Bundesverband der Gipsindustrie, dass sich die Kommunen besser um die Kontrolle und richtige Umsetzung der Gewerbeabfallverordnung kümmern müssen, damit mehr Gips recycelt werden kann. Derzeit seien es nämlich nur etwa zehn Prozent der anfallenden Gipsabfälle – möglich wären aber gut 50 Prozent. Kapazitäten an den Aufbereitungsanlagen sind vorhanden und auch die Mengen an Gipsabfällen sind groß, die auf den Baustellen anfallen. Doch sie werden teilweise nicht getrennt gesammelt und oftmals bei Deponien entsorgt statt dort, wo sie für ein Recycling zur Verfügung stehen könnten. Dabei könnten Baustoffe aus und mit Recyclinggips auf dem Bau genauso eingesetzt werden wie andere. Er ergeben sich keine Qualitätsunterschiede, wenn den Produkten Recyclinggips beigemischt ist.
Seit der Novelle der Gewerbeabfallverordnung im Jahr 2017 müssen die Abfälle auf Baustellen strikt getrennt werden. Das Ziel ist es insgesamt mehr Baumaterialien zu recyceln und die Deponien weniger zu belasten. Das getrennt Sammeln von Gipsabfällen, zu den in großen Teilen Gipsplatten zählen, ist im Prinzip dabei nicht das Problem. "Sie sind gut abgrenzbar von anderen Bauabfällen und fallen bei der Entkernung oder dem Innenausbau konzentriert an", sagt dazu Roman Mölling vom Bundesverband der Gipsindustrie.
Als aktuelles Hauptproblem nennt er die regional sehr unterschiedlichen Kosten der Entsorgungswege, insbesondere billige Deponien. So geht es oftmals schneller und immer noch günstiger die Abfälle zu Deponien zu bringen als zu den Recyclingstätten. Roman Mölling berichtet sogar, dass er davon ausgeht, dass auch getrennt gesammelte Abfälle nach wie vor auf Deponien landen. Der Bundeverband fordert von den Behörden deshalb, dass diese nicht nur das Getrenntsammeln besser kontrollieren, sondern vor allem auch die tatsächliche Zuführung zum Recycling.
Ein weiteres Manko ergibt sich in der Gewerbeabfallverordnung durch die dort beschriebenen Ausnahmeregelungen. So können höhere Kosten durch eine Entsorgung im Recyclingsystem als Begründung dienen, dass eben nicht recycelt wird. "Außerdem sind die Dokumentationspflichten für das gewünschte Verhalten und die Begründung des Abweichens vergleichbar", sagt Roman Mölling. So entstehen keine Vorteile für Abfallerzeuger, das Material dem Recycling zuzuweisen.
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